Sonntag, 20. Oktober 2019

Der Sommer ist vorbei - Winterstalling

Die Farbe des Sommers war aquamarin

Der Sommer ist vorbei. Untrügliche Zeichen verweisen auf den Herbst:
die ersten Boote fallen auf die Straße. Mit dem Sommer endet auch die Boots-Saison. Nix mit Wake me up when September ends, hier eher das genaue Gegenteil. Wenigstens eine von uns darf Winterschlaf halten.

Ein letztes Mal für dieses Jahr machten wir uns Freitagabends auf ins gelobte Narnia-Land, ließen uns ein letztes Mal von 6 anständigen Windstärken in den Schlaf schaukeln und genossen einen letzten Kaffee mit Heimathafen-Kino. Schon in der geschenkten Woche hatten wir weitestgehend klar Schiff gemacht und unser Marijntje für den Winterschlaf vorbereitet.

Viel war also nicht mehr zu tun, der Wassertank musste noch restgeleert, die Koje ausgeräumt, das Decks-Mobiliar verstaut und der Kühlschrank abgetaut werden. Die Aquamarijn verbringt den Winter dort, wo sie schon der Vorbesitzer zur Ruhe legte, in einer riesigen beheizten Halle. Werterhaltend und nervenschonend. Aus-und Einwasser-Arbeiten beschränken sich so für uns auf ein erträgliches to-do. Die Halle ist im überwiegend maritim ausgerichteten Gewerbegebiet Narnias. Welches im übrigen dreimal so groß ist wie der Rest des Ortes. Ganz spannend dort. Werft an Werft an Halle an Boots-Bedarf an Boots-Reparier-Betrieb an BootsLackiererei an Werft. Alles, was man braucht in NL als Bootsbesitzer findet sich dort. In unserem Winterstalling sind auch etliche andere Boote aus unserem Yachthafen, das Marijntje wird sich also hoffentlich nicht allzu einsam fühlen ohne uns.

Schweren Herzens brachen wir auf zu unserer letzten Bootsfahrt für diese Saison. Es war eigentlich sogar schön, nochmal zu fahren. Wettertechnisch ging es, nur auf dem Heeger Meer war es erstaunlich kabbelig. Im Hafen hatten wir eigentlich den Eindruck, dass der Sturm nachgelassen hätte. Aber nun, steckste nicht drin. Bis zum Winterlager mussten wir leider auch nur viermal um die Ecke, dann übergaben wir unser Marijnte dem sehr netten und kompetenten Winterstalling-Beauftragten.

Winterlager


Blick zurück
Klar, wir sind ein bißchen traurig und wehmütig. Der Winter ist lang. Aber der nächste Sommer kommt bestimmt und mit ihm eine Saison, die auch für uns diesmal dann richtig lang sein wird. In die Wehmut mischt sich aber auch Dankbarkeit und Erleichterung. Dankbar sind wir für das, was uns die Aquamarijn schon in dieser Saison gegeben hat, dankbar dafür, dass wir diese Entscheidung getroffen haben. Erleichtert, weil es sich eben erwies, dass es die richtige Entscheidung war und vor allem der Kauf ein Glücksgriff gewesen war. Klar, wir hatten Baustellen in der KYB Phase, es werden sich auch wieder neue auftun. Aber der Captain beobachtet den Markt interessiert weiter und ist sich sehr sicher, alles richtig gemacht gemacht.

Auch wenn ich es immer noch surreal finde, das jetzt am Ende der Saison so zu schreiben. Ich sehe uns immer noch auf der Ardeche sitzen, wie wir uns freuten, so früh im Jahr schon die Saison zu beginnen, wie wir auf der Ardeche über die Maybe sprachen und doch so gar keine Ahnung hatten, wie alles kommen würde, wie wir schon gar nicht daran glaubten, dass wir die Saison echt so spät und vor allem auf eigenem Kiel beenden würden.

Umso größer die Vorfreude. Der Ausblick verheißt Gutes. Wie es aussieht, werden Schwager und Schwägerin mit ihrem Segelboot nachziehen, so dass wir bald eine richtige kleine Flotille in Narnia haben. Segeln zwischendurch ist auch eine schöner Ausblick. Oder die Männer gehen segeln und die Damen an den Strand. Auch 'ne feine Option. Wir freuen uns. Über das, was war und auf das, was kommt.

Die Farbe unserer Sommer bleibt aquamarin. Die schönste Farbe der Welt. 

Aquamarijn
Die Farbe unserer Sommer 


Freitag, 18. Oktober 2019

Lekker allein an Bord

Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub. Unverhofft kommt nicht oft, aber diesmal in Form einer letzten geschenkten Woche an Bord. Getreu dem Motto "Wer viel arbeitet, hat auch viel frei" forderte ich die vor und nach dem September-Urlaub gemachten Überstunden sofort wieder ein. Der Ruhebewahrer hatte nicht ganz so viel Glück, er musste nach dem Wochenende nochmal für zwei Tage anne Schüppe. Konnte sich aber immerhin ins Team Brückentag einbuchen und auch noch ein paar letzte schöne Tage an Bord verbringen.

Am ersten Wochenende hatten wir Besuch an Bord. Die Wahlfamilie war bei anderen Freunden in deren Mobilheim in Lemmer und alle zusammen kamen zur Bootsbesichtigung und Narnia-Rundgang. Wir waren stolz, der Besuch begeistert, die Lemmeraner haben auch viel maritime Erfahrung und waren durchweg der Meinung, dass wir alles richtig gemacht haben.


Zwei Tage war ich danach lekker allein an Bord und fast allein im Hafen. Sicher nicht jedermanns
Sache, aber mir hat es gefallen. Je mehr nichts, desto besser und die Ruhe hat mir sehr gut getan. Die Nächte wurden mir präsentiert von schaukeligen 7 Windstärken, die Tage von wechselhaftem Aprilwetter. Da wechselhaft aber auch bedeutete, dass zwischendurch die Sonne strahlend schien, während es zuhause mehr als grottig war, ging das so in Ordnung.

Meine Tage alleine verbrachte ich mit Hafenkino, lesen, Podcasten und jaha - tatsächlich des Abends auch mit Fernsehen. Am Wochenende hatten wir bereits kein Bootsfahrwetter mehr und so nahmen wir doch tatsächlich das letzte unerforschte Spielzeug an Bord, die sich selbst ausrichtende Satelliten-Anlage in Betrieb. Ein bißchen müssen wir da noch an den Einstellungen fummeln, denn eingespeichert sind zwar dröfzigtausend deutschsprachige Sender, aber kein einziger aus NL. Kann ja nicht sein, dass ich zuhause NL-TV gucke, an Bord aber nicht. Geht gar nicht. Wobei Fernsehen an Bord ja auch nicht unsere größte Priorität ist.


Was ich noch tat an diesen Tagen, war spazierengehen. Ja, ich. Ich bin gelaufen. In der Not frisst der Teufel Fliegen und Lauf-Faule latschen los. Jede Ecke in und um Heeg habe ich erkundet, neue Ecken gefunden, alte und neue Aussichten genossen und richtig Freude dran gehabt. Aber es war dann auch schön, als der Captain wieder mit an Bord war.

Heeger Impressionen 


Gemeinsam erkundeten wir noch eine uns bis dato unbekannte Ijsselmeer-Ecke und fuhren nach
Workum. Von dieser Stadt kannten wir bis dato nur die Workumer Trekvaart und eine ausgesprochen häßliche Eisenbahnbrücke, die wir auf dem Weg zur Trekvaart glücklicherweise links hatten liegen lassen können. Aber der Ort gefiel uns außerordentlich gut, wir waren angenehm überrascht. Wir werden dort auf jeden Fall nochmal hinfahren. Dann aber mit der Aquamarijn. Brunnen Nr. 8 konnten wir auf diese Art auch direkt abhaken. Und ja - es ist Kunst. Es kann nicht weg. Tada:

die 3 Löwen von Workum  


in Workum, um Workum, um Workum herum 

Richtig richtig toll war es dann noch am Workumer Ijsselmeerstrand, wo sich an einem richtig stürmischen Oktobermeer-Tag Hunderte von Kite-Surfern tummelten und teilweise unfassbar schnell richtig übers Wasser flogen. Ein tolles Spektakel.


Wir schlugen uns dort ein wenig durch die Botanik und entdeckten feine kleine Buchten, denen wir sicher im nächsten Sommer unsere Aufwartung machen werden. Das wird allerfeinstes See-Kino. Ich bleibe dabei: Das Ijsselmeer ist die größte Wieder-Entdeckung der SommerTouren. Es ist wirklich toll, das Boot so nah am Ijsselmeer zu haben. Narnia ist zwar vielleicht nicht in allen Punkten die beste Wahl für einen Motorboot-Heimathafen, aber gerade für Tage, an denen man ein Ziel wünscht für 4 Räder ist das Ijsselmeer ideal.

Workum Strand Kite Surfer

Wir blieben dann auch die komplette Woche im Hafen, das Wetter war nicht ganz so golden wie wir es uns gewünscht hätten. Aber dafür hatten wir einen tollen Sommer. Man muss ja nichts provozieren und auf den letzten Metern der Saison mit Ach und Krach raus. Und so war es auch schön. Gemütlich, kuschelig, erholsam und beglückend.     

Kanal Balk
Moon over Canal Street
Anm. d. Red. Zur Ansicht der Videos doppelt klicken oder zweimal langsam hintereinander auf die Play Taste. je nach Browser. Und das Ijsselmeer-Video ist erst im Vollbildmodus richtig toll, dann sieht man einen Surfer richtig fliegen.

Freitag, 27. September 2019

Der erste Urlaub auf eigenem Kiel - Epilog

Die alten Weiber gaben alles und direkt das Wochenende nach unserem Urlaub versprach allerfeinstes Bootswetter. Wir waren zwar erst vier Tage zuhause, aber - was soll's. Wir beschlossen, nicht erst dann aufzuwachen, when September ends und fuhren am Freitag nach Feierabend direkt wieder nach Narnia. 

Nix mit Eroberung der Wäscheberge, Augen zu, Mantra "Putzen kann man auch im Winter" und direkt nach dem ersten Hafenkino-Kaffee am Samstagmorgen Leinen los. Wir fuhren noch einmal eine längere Strecke, bis ins Tjeuker Meer und gönnten uns ein Wochenende auf und an der schönen Insel Marchjepolle.

#RausausderStadtfahrTweet 
Wir finden diese Insel mit ihrem idyllischen Strand außerordentlich schön, alleine sind wir damit leider nicht. In der Hochsaison ist es reine Glückssache, ob man dort einen Platz kriegt. Und auch an diesem Wochenende war es schon relativ voll. Aber wir ergatterten einen feinen Platz und genossen noch einmal das, was die friese Meren so besonders macht. Wasser, Insel, Sand, Wiesen, Boote - fern ab von allem. Ein Paradies, wo man einzig und alleine mit dem Boot hinkommt. Nicht zu Fuß, nicht mit dem Fahrrad, schon gar nicht mit dem Auto. Das Gefühl, welches sich einstellt, wenn man an diesen Plätzen übernachtet, ist so einzigartig, man kann es kaum vermitteln. Aber wer es einmal kennengelernt hat, will es nie wieder missen. Sehnsucht ist ein Notfall. So wahr. 

Die Marchjepolle im Tjeuker Meer
eine Insel mit zwei Stegen 
Unser Inselplatz war mal wieder inclusive interessanter Nachbarschaft am Steg. Ostpreußsche Sauerländer, die dem verlorenen Paradies der Familie nachtrauerten, aber für sich selbst unerwartet und überraschend ihre zweite Heimat auf holländischen Gewässern gefunden hatten. Sie kamen wie die Jungfrau zum Kind aufs Wasser und konnten gar nicht mehr aufhören zu schwärmen. Unter anderem vom Genever, den sie uns nahebringen wollten. Ausgerechnet.  Na denn. Da ließen wir uns natürlich nicht zweimal bitten ..... Bei der Gelegenheit erfuhren wir auch, was im Hochsommer an der Marchjepolle so los gewesen war. Anscheinend ist diese Insel mittlerweile in der Saison eine Insel mit Vollversorgung. Den Brötchenservice aus Echtenerbrug kannten wir ja schon, den schwimmenden Lieferdienst für Ijs und Haring sichteten wir in diesem Jahr auch bereits diverse Male. Auf der Marchjepolle gab es weiterführende Dienstleistungen für den bedürftigen Bootsurlauber. Aufsehen erregten vor allem ein rot beleuchtetes Boot mit ähem wie soll ich sagen Wellness-Angeboten und eins mit pflanzlichen Erzeugnissen. (Cem Özdemir würde sagen "Ich kenne diese Pflanze nicht") Ja, machste nix. Geschäftstüchtig sind die Holländer ja. Schade nur, dass diese schönste aller kleinen Inseln somit eher für uns nur in der Nebensaison in Frage kommt.

Sonnenuntergang Marchjepolle
Sonnenuntergang im Tjeuker Meer 

Sonnenaufgang Marchjepolle
Sonnenaufgang - ein Goodie, wenn man auf dem Boot unerwartet früh wach wird   

Schade auch, dass einer der Genevertjes wohl nicht so ganz in Ordnung war, so dass die Rückfahrt am nächsten Tag bei Windstärke 4 aus ungünstiger Südwest-Richtung (sprich fiese kabbelige Wellen) schon sagen wir etwas spezieller  ausfiel. Aber das Seil in der Heimatbox saß.....   

Donnerstag, 26. September 2019

Der erste Urlaub auf eigenem Kiel, Teil 3

Phase drei: die stürmische Phase

Nach den Aufregungen der ersten beiden Phasen gönnten wir uns und der Aquamarijn erstmal einen Heimathafentag. Vorräte auffüllen, Wasser auffüllen und den ganzen Insekten-Poep abschrubbern. Dienstags legten wir wieder ab, das Wetter war durchwachsen, aber ok. Der Weg führte uns wiederum über das Sneeker Meer bis kurz vor Joure in das Limanda-ohne-Bugstrahlruder-bei-Windstärke-6- Gedächtnis-Hafenbecken. 

Marrekrite Hafen vor der Jourster Schleuse 

Hafennachbar. Trip to the Netherlands before Brexit 
Dort war es ziemlich leer und wir genossen Ruhe und relative Einsamkeit im Outback, bevor wir am nächsten Tag nach Joure fuhren, dem wir gerne immer wieder einen Besuch abstatten. Dort war es schon voller, das Wetter wurde schlechter und da ist der geschützte Greenedijk von Joure immer ein beliebter Anlaufpunkt. Diesmal vor allem für große Charterpötte, die bug- und heckstrahlruderten, was die Teile hergaben und sich vor allem in Boxen quetschten, die gar nicht für diese Größe bestimmt waren. Aber egal, dann belegt man eben direkt zwei. Egal, ob nachfolgende Schiffe, die in den richtigen Teil des Hafens wollen, kaum noch manövrieren können. Anlegen mit Seil um hintere Poller erschließt sich eben nicht jedem. Aber unser Seil saß. Beim ersten Versuch. Von mir persönlich geworfen. Konnte ich ja jahrelang nicht, aber so langsam wird et. Bin ich ehrlich stolz drauf.

Anlegen am Poller mit Seil

Grundsätzlich aber finde ich immer öfter, dass es ehrlich nicht schaden könnte, wenn bestimmte Vercharterer bei der Einweisung auch die Grundlagen seemannschaftlichen Verhaltens vermitteln würden. DAvon aber ab war Joure wie immer gastfreundlich und eine nette Abwechslung nach den vielen Tagen fast nur Wasser. Notiz an uns für das nächste Mal: Mit der Nespresso-Kundenkarte kriegt man in Douwe-Egberts-City keinen Landstrom aktiviert.


Am nächsten Tag wurde es ziemlich ungemütlich und der Buienradar verhieß keine Besserung. Im Gegenteil. Also - zurück zum Heimathafen. Der Regenbogen wies den Weg. Wir müssen es ja nicht drauf ankommen lassen. Schon gar nicht mit dem eigenen Boot. Wozu sich und datt Marijntje  quälen?  (Zugegeben: Der Gedanke, dass es im Fall des Falles nicht mit einer Selbstbeteiligung getan ist, spielt mit. Stahl gewinnt zwar immer, wir fühlen uns bei jedem Wetter safe. Aber jede Delle tut auch weh) Die Entscheidung war gut. Das erwies sich am nächsten Tag, der mit Windböen hart an der Windstärke 8 und vielen Regenschauern echt ungemütlich war. Gut, dass wir da nicht mehr fahren mussten. Ich hatte schon am Tag der Rückkehr bei Windstärke 6 richtig Manschetten vor dem Anlegemanöver in unserem Hafen. Aber mittlerweile brauch ich keinen Cowboy mehr als Mann, auch da meisterten wir unsere Box und die Poller auch an diesem Tag vorbildlich. Das erleichterte mich derart, dass ich schon vor vier mit dem Anlegeschluck aus der Kajüte kam...Tjanun. Watt mutt, datt mutt. Vom Heimathafen fuhren wir dann noch auf 4 Rädern für einen Bummel nach Sneek  und fügten Brunnen Nr. 7 zu unserer Liste hinzu. Und erstanden Spinnen-Abwehr-Spray. Scheint zu wirken. Mal sehen, wie es morgen aussieht, wenn wir zum vermutlich letzten Boots-Wochenende des Jahres aufbrechen.

Fontein van Fortuna, der Mann mit dem Füllhorn
Elf-Städte-Brunnen Sneek , der Glücksbrunnen. 
Fazit: Urlaub auf dem eigenen Boot ist anders. So vong Gefühl her. Der Drang, alles, was irgend geht, in die wenigen Wochen Urlaub zu packen, ist weg.  Wir wissen jetzt, wir können, wann immer unsere Zeit es erlaubt. Auch wenn wir dieses Jahr nur die halbe Saison mit unserer Marijntje verbrachten, haben wir schon in diesem Jahr das Gefühl, sehr viel davon gehabt zu haben. Sämtliche Optionen, die uns das schwimmende Zuhause an den Meren bietet, haben wir genutzt und genossen. Andere haben einen Wohnwagen an der Zee oder ein Ferienhaus, wir eben ein Boot. Vielseitig nutzbar. Immer so, wie wir Lust hatten und wie die Gegebenheiten waren. So schön, wenn man bei heißem Wetter sagen kann, wir fahren nicht soviel mit dem Boot, wir genießen Strand oder Outback, gehen schwimmen und lassen einfach die Seele baumeln. Schön, wenn man bei schlechtem Wetter sagen kann, egal. Fahren wir halt nicht, nutzen wir das Boot und den Hafen als Basis und Ausgangspunkt. Und wie schön, wenn man bei perfektem Bootswetter sagen kann, jetzt aber. Jetzt genießen wir eine tolle Strecke und fahren richtig viel. Was dann auch der Grund war, dass wir direkt am Wochenende nach dem Urlaub wieder da waren und einen Nachschlag genossen.

Montag, 23. September 2019

Der erste Urlaub auf eigenem Kiel, Teil 2

Phase zwei: gesellig und getauft !

Halbwegs präsentabel erwarteten wir den angekündigten lieben Besuch. Zum ersten Mal ein paar Tage zu viert auf der Aquamarijn. Wir waren gespannt, wie das sein würde. Das Ergebnis vorab: Es ging prima. Es ist natürlich eng, man räumt ein bißchen öfter von A nach B, es wird schnell rummelig, aber es ging gut. Während des Fahrens sowieso, aber auch das Bootsleben ging prima. Wir sind alle eingefleischte Bootsleute und wissen als solche natürlich, dass man den Luxus der Freiheit mit Einschränkung bei der Bequemlichkeit erkauft.

Das Wetter hatte sich etwas runtergekühlt, ein wenig frische Brise kam auf, es versprach, auch wettertechnisch ein perfektes Wochenende zu werden. Strahlend wie das Wetter begrüßten wir unsere Gäste. Schwager und Schwägerin kannten die Aquamarijn ja schon von der Besichtigung her, waren aber trotzdem gespannt, was sich schon alles verändert hat und vor allem, wie es ist, wenn man datt Marijntje richtig in Beschlag nimmt und nicht nur wie ein Ausstellungsstück ansieht. Sie fanden es wie wir von der ersten bis zur letzten Minute großartig, lobten das Boot und seine Funktionalität und fühlten sich erkennbar wohl. So soll es sein. Direkt nach der Ankunft der Gäste schritten wir bei strahlendem Wetter zum wichtigsten Teil des Besuchs.

Die offizielle Bootstaufe 

Wir hatten hin und her überlegt, wie wir es machen wollten. Nichts schien praktikabel. Eine große Feier in Narnia auszurichten hätte erhebliche logistische Aufwendungen erfordert. Es war mitten in der Saison, als wir das Boot übernahmen, alle, die wir hätten einladen wollen, hatten ihren Sommer geplant und wir hätten sie ja auch irgendwo unterbringen müssen. Was in Heeg gar nicht so einfach ist. Soviele Unterkünfte gibt es nicht und da der Ort in Wassersportkreisen außerordentlich bekannt und beliebt ist, dort dauernd irgendwelche Regatten ausgetragen werden, ist es schier unmöglich, sich mitten in der Saison dort irgendwo für auch nur eine Nacht an einem Sommerwochenende einzubuchen. Bis zum nächsten Jahr zu warten und das von langer Hand zu planen, wollte vor allem ich nicht. Das Boot ist da, es liegt an seinem Platz und uns am Herzen, wir wollten es und das, was es für uns ist, würdigen. Ganz ernst und feierlich. Also lautete der Beschluss: Wir taufen in ganz kleinem Kreis mit Schwager und Schwägerin, denn diese war ja als geübte Bootstäuferin unwiderruflich für diesen Job bestimmt worden - sie nimmt das ernst, sie macht das hingebungsvoll und inbrünstig und weiß genau, warum das gemacht werden muss. Jeder, der uns von nun an besucht, muss vor seinem ersten Schluck an Bord einen Schluck dem Meeresgott übergeben und hat so Anteil an der Zeremonie. Eventuell feiern wir im Winter auch zuhause nochmal eine Bootsparty, um unser Glück zu zelebrieren, aber das wird sich weisen.

Und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel
.....und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel 
Zunächst einmal waren wir aber im Hafen. Mit uns eine große Flasche allerbesten Champagners, den unsere Gäste uns und der Aquamarijn mitgebracht hatten. Meine Schwägerin hatte ein paar schöne Zeilen über den von uns ausgesuchten Namen und seine Bedeutung formuliert und verband diese mit den Wünschen für unser Bootsglück. Ernst sprach sie die Formeln zur Bootstaufe, die entsprechende Schlucke wurden geopfert, die Wünsche wie die berühmte Handbreit Wasser unterm Kiel mit Gesten begleitet und unser Boot war umgetauft nach allen Regeln der Kunst. Endlich.

Glücklich tranken wir die letzten leckeren Schlucke und begaben uns in den Ort. Vorräte auffüllen, Abendessen - diesmal "nur" an der Pommesbude mit angrenzender Hühnermeute und früh in die Koje. Am nächsten Morgen waren wir alle früh auf, voller Tatendrang. Die Männer begaben sich erstmal an unser Dingi-Dings (die eigentlich Davids genannten Gepäckträger, die ein Beiboot - eben das Dingi - tragen.Ich bin übrigens nicht die Einzige, die das Dingi-Dings nennt, jeder im Hafen weiß sofort, was damit gemeint ist), montierten es ab, verschoben im tiefen Inneren des Schiffsbauchs Metallplatten, um das ursprüngliche Gleichgewicht des Bootes wieder herzustellen und dann ging es los auf eine ausgedehnte Tagestour. 

Tschüss Dingi Dings. Wir haben es nun mal so gar nicht mit Beibooten
Übliche Strecke, die wir in diesem Jahr schon ein paarmal gefahren waren. Heeger Meer, um die Inseln herum, Gaastmeer, Oudegaaster Brekken - dort fuhren wir uns zum ersten Mal fast fest, es war echt nur noch die bekannte Handbreit Wasser unterm Kiel, aber beherztes Gas geben, einmal ruckeln und der weiche Untergrund gab uns wieder frei. Zurück mit Pause im jetzt fast leeren Gaastmeer Hafen.


Sinn und Zweck der Übung war, den beiden die nähere Wasser-Umgebung von Narnia näher zu bringen. Sie überlegen stark, es uns im nächsten Jahr gleich zu tun und da muss man ja wissen, was man dafür kriegt. Abends beehrten wir dann die traditionellste, altehrwürdigste, typisch holländische Gaststätte des Ortes und wurden nicht enttäuscht. Unsere Hafennachbarn hatten das empfohlen, sie gehen alle dorthin und nehmen gerne dafür die paar Schritte mehr in Kauf. Auch in unserem Jachthafen ist es wie in vielen anderen. Wir kennen das schon von früher: Es gibt ein hafeneigenes Cafe,Kneipe, Restaurant, aber da sitzen meistens Gäste von außerhalb, die sich gerne mal maritimes Yachthafen Flair ansehen. Die Besitzerin ist nur mittelfreundlich, gerne auch mal unwirsch (bei uns ist das eine Deutsche, muss ich mehr sagen? Schade, dass das so typisch ist). Sie grüßt die Hafenanlieger nur, wenn sie will. Und meistens will sie nicht. Ich nehme an, wir sind ihr nicht schick genug, um bei den Besuchern von außen damit punkten zu können. Jedenfalls - kaum einer von uns geht dahin. Sondern in den Ort zum Traditionsgasthaus. Wo auch viele andere von anderen Jachthäfen sitzen.

Am nächsten Tag legten wir ab für länger. Wir fuhren die Kanalroute rund um Heeg, passierten Woudsend, flirteten mit Lamas ohne Hüte, legten uns an mit einer sturen Gang junger Enten und fuhren die schöne Gracht bis nach Ijlst. Dort gab es Softijs, Kaffee und einen Grachtenrundgang.



Grachten in Ijlst  
Danach begaben wir uns über den Princess-Margriet-Kanal und den Lieblingskanal zum zurückgelegenen Teil der Inselwelt des Sneeker Meeres, in die Goaiingarypster Pollen. Ziemlich voll war es dort bei dem schönen Wetter, aber wir fanden noch einen exponierten Steg, der zur Übernachtung einlud. Es war ein Schwimmsteg, eine Neuheit bei Marrekrite, produzierte bei später aufkommendem starken Wind auch jede Menge im Boot zu hörende Geräusche. Vor der Nacht lag aber erstmal ein gelungener Nachmittag. Die Damen ergaben sich dem süßen Nichtstun, die Männer taten, was Männer auf Booten eben so tun. Arbeiten.

Männer tun, was sie auf Booten eben so tun 

Schwimmsteg Sneeker Meer

Anlegeschluck. Darf nie fehlen. 

Nach getaner Arbeit kredenzte ich an diesem Abend meine neueste Lecker-an Bord-Kreation, die One-Pot-Wok-Chinapfanne. Mit One-Pot-Gerichten experimentiert man von jeher an Bord gerne und eine vernünftige Wok-Pfanne war eine meiner ersten Anschaffungen für das Bootsleben. Zumal man ja in NL auch jede  Menge China-Küchenzutaten an jeder Ecke bekommt und das Ganze sehr variabel ist. Kam auf jeden Fall gut an. Fast genauso gut wie die am Abend aufziehenden Gewitter aus allen Richtungen, die wir ganz gemütlich unter unserem Bimini beobachten konnten. Bis es von einem Moment auf den anderen anfing, wie aus Kübeln zu gießen und zu hageln. Aber jeder wusste, was er zu tun hatte und innerhalb weniger Sekunden war das ganze Boot dicht. Echtes Teamwork. Wie am Schnürchen. Fanden wir alle super.

Am Sonntag ging es dann zurück in den Heimathafen und wir mussten uns schweren Herzens von unseren Gästen verabschieden. Von uns aus hätten sie gerne noch länger da bleiben dürfen. Neben der Geselligkeit war es auch schön, einmal mehr als vier Hände an Bord zu haben. Bei An- und
Und wenn noch soviel gequiekt wird. Der Ruhebewahrer Captain
Ablegemanövern und bei Regen, siehe oben. Sieht man wenigstens auch mal was bei Hafenein-undAusfahrt. Zum Beispiel den neuen Bewohner gegenüber vom Hafen: Den unglaublich verfressenen Alpi, der kaum einmal den Kopf hebt, damit man ihn fotografieren kann. Obwohl er unfassbar süß ist. Der Ruhebewahrer war jedenfalls hart irritiert, als Schwägerin und ich bei Hafenausfahrt orgiastisch quiekten: Oh, guck mal. habt Ihr das gesehen? Nicht die besten Ausrufe bei Hafenmanövern, aber - Alpakas sind ja immer süß, aber dieses ist echt ganz besonders sweet. Vor allem in der Gesellschaft. Eine Kuh, ein Pferd und ein Alpaka. Die Heeger Hafenmusikanten. Ach ja - Manöver! Tanken waren wir auch, das erste mal. Auch da gut, dass wir zu viert waren, Tanken mit Boot fand ich schon immer ätzend. Warum auch immer. 

Die Heeger Hafenmusikanten

Sonntag, 22. September 2019

Der erste Urlaub auf eigenem Kiel, Teil 1

Jetzt ist die Sommerzeit aber gerast. Er liegt tatsächlich schon hinter uns, der erste richtige Urlaub auf der Aquamarijn. Zwei Wochen Leben auf dem Wasser und nicht eine Minute haben wir es bereut. Nicht alle Minuten waren schön - ich sage nur Monstermücken - aber tjanun - irgendwas ist ja immer.

Der Urlaub lässt sich in der Rückschau in drei Phasen aufteilen. Die erste Phase war heiß und mückige, die zweite gesellig, die dritte stürmisch. Und einen Epilog gab es auch noch. Vorausgegangen war diesem Urlaub der Entschluss, keine neue Route zu entdecken, sondern "nur" zu gondeln und auch Tage einzubauen, die einzig und allein der Erholung dienen. Ursprünglich - als wir noch nichts von unserem Marijntje wussten - überlegten wir für den Spätsommer, uns aus unserer Komfortzone friese Meren rauszubewegen und die angrenzende Provinz Overijssel zu erkunden. Das legten wir aus mehreren Gründen schnell ad acta. Zum einen müssen wir nichts über's Knie brechen und haben ja definitiv viel viel Zeit, Neues zu erkunden. Gefühlsmässig sind wir immer noch in der KYB Phase und möchten einfach unser Boot ( ach, alleine, das zu schreiben - unser Boot - sagte ich schon? ok ok ok schon gut ) aus dem Effeff kennen und handhaben können. Das geht nun mal am besten, wenn wir uns nur auf bekannte Gefilde begeben. Zum anderen hatte sich zu unserer Freude Besuch angekündigt mitten im Urlaub. Schwager und Schwägerin würden für die gesellige Phase Sorge tragen. Außerdem: -  es gab noch einiges an Arbeit, was diesen Sommer erledigt sein sollte.

Guten Morgen Kaffee auf dem Boot
GoedeMorgenCoffie
Ursprünglich hatten wir zudem geplant, es etwas gemächlicher angehen zu lassen und erst Samstag morgens Richtung Narnia aufzubrechen. Aber nach zwei bootlosen Wochen ist Sehnsucht ein richtig großer  Notfall und so fuhren wir Freitag Abend doch noch spät ins gelobte Land, um nach ergiebigem Kampf gegen eine ganze Spinnen-Armada, die es sich auf der Aquamarijn gemütlich gemacht hatte, gegen Mitternacht todmüde in die Koje zu fallen und am nächsten Morgen glücklich und beseelt den ersten Kaffee an Deck zu genießen. Und Pläne zu schmieden.




Phase 1 : Heiß und mückig

Ende August, der Sommer hatte sich eindrücklich zurück gemeldet. Das Barometer klopfte an der 30 Grad Marke, es war windstill wie selten und uns war heiß. Richtig heiß. Aber zum Glück waren wir ja schon auf dem Wasser. Relativ schnell erledigten wir ein paar Einkäufe, füllten den Wasservorrat auf, beseitigten die schlimmsten "Spinnen- und Vogel-Poep-Stellen" , wie es so malerisch auf holländisch heißt und lösten die Leinen. Ab auf's Heeger Meer, an diesem Tag vor lauter Segeln kaum zu sehen, schnell ab ins Gaastmeer, kurzer Blick: alles voll, richtig voll. Blöd. Also weiter in die Oudegaaster Brekken, in denen wir erst neulich ein so wunderfeines "Das Leben ist gut   Wochenende" verbrachten. Die Marrekrite vom letzten Mal war bereits voll, zwei weitere ebenfalls, aber an der kleinen Insel mitten in den Brekken wartete noch ein idyllisches Plätzchen auf uns.


Idylle auf dem Wasser


Festgemacht. Badeklamotten an. erstmal zwei Tage nichts tun und ausruhen. Soweit der Plan. Ging auch zum größten Teil auf. Wir hatten idyllische Ausblicke, ein bißchen Marrekrite-Kino, hündischen Zulauf und gingen sogar vom Boot aus schwimmen. Auch dies zu verbuchen in der Kategorie KYB. Zunächst gelang es uns nämlich nicht, die Badeleiter der Aquamarijn auszuklappen, der Ruhebewahrer verstand zwar das System, fand es aber unbedienbar. Schließlich schnappten wir uns eine Leine, der Gatte bastelte einen Leinen-Steg und ging von Land aus ins Wasser. Vom Wasser aus schließlich gelang es ihm dann, den wahrscheinlich schon Jahrzehnte nicht mehr gelösten Mechanismus der Badeleiter zu bedienen und so konnten wir die Leine wieder einholen und richtig schön vom Boot aus schwimmen. Ein Träumchen. Ich wäre wahrscheinlich eh nicht via Leine wieder an Land gekommen und würde vermutlich bis heute da rum paddeln. Gut, dass ich da noch nicht wusste, dass ich ein paar Tage später doch noch turnerische Höchstleistungen vollbringen musste.


Weniger traumhaft war dann eine tierische  Begegnung der anderen Art. Monstermücken, die mich an ein lang vergangenes erlittenes Mückentrauma an der französischen Atlantikküste erinnerten. Dort begab es sich an einem Ort mit dem eigenartigen Namen Mimizan-Plage, dass pünktlich mit Einbruch der Dämmerung heuschreckengroße Viecher aus dem Nichts auftauchten, einen Riesen-Lärm veranstalteten und sich auf jeden stürzten, der sich in dieser Zeit draußen aufhielt. Mit Vorliebe verfingen sie sich in den Haaren der Urlauber, mich hat es damals eine ganze güldene Strähne meiner Haarpracht gekostet. Die Viecher waren nicht anders rauszukriegen, als einfach abschneiden.

Ganz so schlimm war es an den Oudegaaster Brekken nicht, aber schon beeindruckend. Der Gatte hat mir erst gar nicht geglaubt, als wir in der Dämmerung ein veritabel lautes Summen hörten. Später hörten wir bei uns im Hafen, dass auch andere erstmal Ausschau nach einem Hubschrauber hielten.  Ich kannte das Geräusch, ich wusste sofort, das sind Trilliarden von Mücken. Großen Mücken. (Die Brekken sind anscheinend ein Ort, an dem der Gatte erstmal in Frage stellt, was ich an skurrilen Theorien aus der Natur aus dem Hut zaubere. siehe die Kuh-Wettervorhersage). Anders als damals an der Atlantikküste hielten sich diese Mücken fern von Menschen, sie kamen uns kaum zu nahe , aber unheimlich war es schon. Erst recht, als wir uns dann ins Bootsinnere verzogen, alles natürlich gut abgedichtet, alle Mückengitter und Netze im Einsatz und dann Licht anmachten. Sofort war ein sagenhaftes Getrappel zu hören, es hörte sich an
Monstermücken kommen in der Dämmerung

wie heftiger Regen, kurz vor Hagel. Vorsichtig zog ich eine unserer Gardinchen zur Seite und konnten kaum glauben, was ich sah. Schnell zog ich die Gardine wieder zu und sagte zum Gatten nur: Das willst Du nicht sehen. Er glaubte zunächst, dass die Bootsnachbarn unglaubliche Dinge tun würden....  Aber es waren die Trilliarden, welche an unsere Fenster klopften. Richtig, richtig fies. Am nächsten Morgen - nichts. Als wenn nichts gewesen wäre. Nur viele Insektenflecken zeugten vom erlebten Spuk. Am nächsten Abend - dasselbe Phänomen. Immerhin waren am zweiten Abend schon diverse Wasservögel unterwegs, das Phänomen hatte sich wohl rumgesprochen. Die Enten, Blesshühner, sogar Fischreiher taten, was sie konnten. Alleine - das war nicht viel. Gebrummsel, Getrappel, wie gehabt. Gespräche mit anderen Bootsfahrern ergaben, dass es dieser Tage wohl überall auf den meren so war. Warum dieses Phänomen in diesem Jahr so massiv auftrat - man weiß es nicht. An der Dürre kann es nicht liegen, in Friesland hatte es ergiebig geregnet, es war auch nicht so heiß wie im Pott. Anscheinend lag es einfach am Sumpf, am Moor und der Windstille, welche diese Viecher eben nicht vertreibt.


Sieht schön aus, aber der Schein trügt
Trotzdem war das erste Wochenende erholsam und wir machten uns auf ins schöne, geliebte Stavoren. , welches mittlerweile in Friesland der Sehnsuchtsort ist, der Domburg in Südholland für uns ist. Strandtage am Ijsselmeer sollten es werden. Wurden es auch, aber den Platz dafür mussten wir uns hart erkämpfen. Hatten wir in den Vorjahren immer Glück im Binnenhaven von Stavoren, war es diesmal anders. Der schöne Hafen war knallevoll, teils lag man schon auf Päckchen. Mutig entschied der Captain, dass wir uns in die letzte freie Box reinzirkeln würden. Passte millimetergenau, ich war zunächst nur so mittel begeistert. Es gab keinen Steg an der Seite, mit Seilarbeit an den hinteren Pollern mussten wir uns in die Box reinziehen. Dank tatkräftiger Hilfe der dort bereits liegenden Skipper, die an Land vertäuten, gelang es aber erstaunlich gut. Nun blieb uns nur noch die Aufgabe, wie vom Boot runterkommen? Wir mussten ja leider über den Bug. Rückwärts konnten wir nicht in die Box, da hätten wir ja unsere Leiter gehabt. Aber in dem Fall hätten unsere da noch vorhandenen Dingi-Dings über die Anlegewiese hinaus geragt. Also mussten wir klettern und springen. Runter ging es mit einem eleganten Limbo-Schwung, rauf mit einer eleganten Arabesque. Wobei elegant durchaus mit einem ironischen Unterton zu lesen ist. Ich sach ma so: Zum Hafenkinoprogramm habe vor allem ich durchaus beigetragen. Aber es wurde mit der Übung besser. Die Aquamarijn hat nun mal einen durchaus hohen Bug, machste nix. Als erstes enterten wir dann in Stavoren auch den Bootsausstatter direkt am Hafen und erstanden ein mobiles Omma-Höckerchen sowie eine neue wasserabweisende Matte für den Eingang zur Kajüte. Die alte war schon ziemlich oll und uns ein Dorn im Auge gewesen. Aber nun haben wir eine schöne, marineblaue. Geht doch nichts über ein gepflegtes maritimes Ambiente.


Der ergatterte Platz war trotz der gegebenen Kletter-Schwierigkeiten Premium. Freie Wahl zwischen
gleich zwei Premium-Programmen: Schleusenkino und Hafenkino. Hätten wir die ganze Zeit den Platz nicht verlassen, uns wäre nicht eine Minute langweilig gewesen. Soviel war los in Stavoren. Wir genossen die Zeit noch mehr als bei den letzten Male. Wir fühlten uns ja nicht unter Druck gesetzt, wieder los zu müssen oder im Ort alle Sehenswürdigkeiten zu besichtigten. Natürlich begrüßten wir das Vrouwtje, aßen lekker, gingen einkaufen und begrüßten sogar eine alte Bekannte.

Hafenkino

Schleusenkino

Vrouwtje grüßt späte Seefahrer 

Hallo Limanda, kennst Du uns noch?  

Aber vor allem genossen wir das Ijsselmeer an den heißen Tagen am schönen Strand von Stavoren. Es war dort allerdings so heiß, dass wir es bei ergiebigem Schwimmen beließen und das Sonnenbad lieber bei leichter Brise und bestem Programm auf unserem Boot nahmen. Aber das Schwimmen war toll. Wenn ich eins in diesem Jahr wiederentdeckt habe, dann ist es das. Wie unglaublich beglückend Schwimmen im Ijsselmeer doch ist. Ich hatte es fast vergessen. Einfach sensationell. Du weisst zwar theoretisch, dass das Ijsselmeer ein See ist, aber da der See - bzw. Meerblick bis zum Horizont reicht, vergisst Du es. Du schwimmst also im Meer, aber das Wasser ist dank der flachen Tiefen schön warm und vor allem nicht salzig. Stundenlang kann man das machen. Schwimmen, plantschen, einfach nur im Wasser sitzen. Ein großer Traum. Und für uns, die wir nun soviel Zeit an Bord verbringen können, wie es die Freizeit hergibt, ein Traum, den wir nun ganz oft träumen können.


Weniger traumhaft dafür die Rückfahrt. Eigentlich war es schön an diesem Tag. Bei Windstille
zirkelten wir gekonnt aus der engen Box und begaben uns auf den Kanal de Fluessen und zurück aufs Heeger Meer. Wie so oft lag der Fehler aber im eigentlich. Denn die Windstille brachte nicht nur in der Dämmerung die Monstermücken (in Stavoren waren die übrigens nicht, wahrscheinlich hat der Buttje-Brunnen die gefressen) sondern auch die gefürchteten Ijsselmeer Fliegen aufs Wasser. Das sind Mini-Fliegen, die nur bei Hitze und absoluter Windstille auftauchen. Als wir letztes Jahr die Ausstellung am Abschlussdeich besuchten, hatten wir die Fliegenwolke schon mal gesehen. Nun waren wir mittendrin.

In der Wolke aus Ijsselmeerfliegen
Es war ein strahlender Sonnentag. Das Dunkle sind die Fliegen.... 
Was ist die Steigerung von Trilliarden? ich weiß es gerade nicht, aber in eben dieser gesteigerten Form von Ungeziefer befanden wir uns. Es war das absolut ekligste, was ich in all den Jahren Bootsfahren je erlebt habe. Sie waren einfach überall, eine riesige Wolke und wir mittendrin. Es wurde besser, je weiter wir uns vom Ijsselmeer entfernten und hörte erst hinter Heeg auf. Daher fuhren wir an dem Tag einfach noch an Heeg und dem Heimathafen vorbei und legten uns vor Ijlst an die Marrekrite. War aber auch nur so mittel, denn dort gab es zwar keine Monstermücken und keine Fliegen, dafür aber die gewöhnliche Stechmücke. Die Nacht wurde uns präsentiert von Schlaflosigkeit, Drachentöters formidables Mygga, Anti-brumm und Insekten-Vernichtungsspray.


Unser Boot sah aus - man macht sich kein Bild. Dabei hatten wir in Stavoren noch eine Putzstunde eingelegt. Aber nun wieder - überall tote Mücken, grüne Flecken von diesen Piss-Drecks-Kack-Fliegen - und wir erwarteten doch Besuch. Also früh abgedreht, ab in den Heimathafen und erstmal das Gröbste runtergeschrubbt. Blieb trotzdem unter dem Motto: Dieses Boot wurde frisch geputzt, schade, dass Sie es nicht gesehen haben.

Die eigentlich sehr schöne Marrekrite vor Ijlst 


FAQs und Antworten rund um alles, was für Bootsurlaub in Stavoren wichtig ist, findet Ihr hier 

Freitag, 16. August 2019

Stürmische Zeiten - aber das Leben ist gut

The old king is dead - long live the King !

Nein, ich zitiere hier kein shakesperianisches Drama, es ist auch keins passiert. Alles gut. Aber gestern mittag war es wieder mal soweit. Im Radio lief "Viva la vida". Das Lied, um das wir alle einen absichtlichen Bogen machen, von dem wir aber nicht verhindern können, dass es uns von Zeit zu Zeit unvermutet trifft. Dareinst - in einer fern anmutenden, in echt gar nicht so lange vergangenen Zeit - war es "unser" Lied. Das Lied, welches wir immer hörten, wenn wir auf dem Weg in unsere damalige zweite Heimat waren. Sobald wir von der Autobahn abbogen, wurde dieses Lied angemacht und es passte immer haargenau bis vor die Haustür. Wenn der Trommelwirbel einsetzt - nach übrigens exakt 3:00 Minuten - bogen wir in "unsere" Straße ein. Bis heute ist es so: Wenn ich die ersten Tamtamtam Schläge und "I used to rule the world. Seas would rise when I gave the word" höre - empfinde ich einen Schlag in die Magengrube und hab einen dicken Kloß im Hals. Ohne das kann ich das Lied nicht hören. Weil tempi passati. Unwiederbringlich.

Gestern aber war es erstmals anders. Der Schlag war nicht ganz so heftig, der Kloß nicht ganz so dick bei  "The old king is dead - long live the King!" konnte ich wieder mitsingen und den Trommelwirbel grinsend begleiten. Denn unser altes viva la vida ist zwar verloren, aber nun haben wir Narnia. Unser eigenes, nicht mehr nur geborgtes Narnia. Und das fühlte sich so verdammt gut an. Trotz des immer noch gefühlten Schlages und den Kloß runterschucken müssen.
Das Leben ist gut - vor allem auf dem Boot

Drei Wochenenden waren wir nun hintereinander auf der Aquamarijn und jede einzelne Minute war schön. Vom kay-wye-bee-Wochenende habe ich bereits berichtet. Das Wochenende drauf war dann - ein perfektes Boots-Wochenende wie aus dem Bilderbuch. Die Aquamarijn - oder wie ich sie jetzt meistens nenne: et Marijntje (soviel Holländerin steckt in mir, dass ich aus meiner tje-Verniedlichungs-Sucht nicht rauskomme) - zeigte sich von ihrer friedlichsten Seite, sie tat, was sie sollte und was wir wollten. Und wir wollten vor allem Einsamkeit. Nicht ganz so einfach in der Hauptsaison, wie wir ja schon zur Genüge festgestellt hatten. Einerseits toll auch in dieser Jahreszeit die Wunder der friese Meren genießen zu können, andererseits sind wir eben nicht alleine. 

Auch an diesem Wochenende war es voll, voller, am allervollsten. Die Sneekweek begann und die große Skutjes-Regatta auf dem Heeger Meer. Wir steuerten zielsicher über das Heeger Meer raus und dann über das Gaastermeer in den Kanal, der zu den Oudegaster Brekken führt. Aufgrund der dort vorherrschenden Untiefen war es relativ leer. Wir suchten und fanden die eine Marrekrite, die unser Tiefgang erlaubte und ergatterten einen Platz. An dem wir einfach blieben. Die Ruhe genossen, lasen, sonnten und im Falle des Captain bastelten. Was Männer auf Booten eben so tun. Umso größer der Kulturschock, als wir Sonntag aus den Brekken rausfuhren und uns im Hochsommer-Sonntags-Betrieb wiederfanden. Alles, was schwimmen kann, war auf dem Wasser. Kamener Kreuz ist ein Schiss dagegen. Bilder davon gibt es keine, keine Zeit zu knipsen. Glücklich zurück im Hafen lernten wir dann auch unsere anderen Stegnachbarn kennen, die sich bis dato auf einem längeren Segeltrip befunden hatten. Sehr nett, auch aus dem Pott, passt. Sehr schön. 

Marrekrite in den Oudegaaster brekken

Das Kuh-Orakel - wenn sie liegen, gibt es Regen
Das Kuh-Orakel: Wenn sie liegen, gibt es Regen* ! 


Was man bei Windstärke 7 so tut  Gemeinsam standen wir dann auch das letzte Wochenende durch. Wobei unsere Standfestigkeit derbe geprüft wurde. Es hatte nämlich dezente 6 - 7 Windstärken, kurz vor Orkan. Im Amsterdamer Hafenbecken tobte sogar ein Tornado. Dementsprechend sind wir und auch sonst niemand genau keinen Meter gefahren. Aber egal. Es war trotzdem schön. Wir bereiteten schon ein wenig den Urlaub vor, bevorrateten uns getränketechnisch für den Rest der Saison, genossen ein bißchen Sonne und lekker Essen. 
Zu gucken gab es genug, zu quatschen und zu basteln auch.


Wenn man genau hinguckt: Ich hab einen Blitz fotografiert. jaha !
 Am Samstag gönnten wir uns einen Trip nach Harlingen. 2016 begannen wir dort unseren Urlaub und waren aus mehreren Gründen nicht so recht überzeugt von diesem Ort. Diesmal fanden wir es aber total schön dort, wahrscheinlich weil unsere Erwartungen runtergeschraubt waren. Und - weil wir Brunnen Nr. 6 unserer Besichtigungsliste zufügen konnten. Noch 5 ... die schaffen wir auch noch. Ist ja jetzt unsere zweite Heimat! Mit dem wiedergewonnenen "Going on to rule the world" Gefühl !   
  
De Walvis - Elf-Brunnen-Tour in Friesland
De Walvis - Elf-Brunnen-Tour in Friesland 

Harlingen Hafen binnen und Veerhaven

* Das stimmt übrigens wirklich. Wenn Kühe liegen, naht Regen. Sie tun das, um sich wenigstens einen Flecken trockenen Grases zu bewahren, weil sie nasses nicht verdauen können. Und auch wenn der Captain meine Aussage lustig fand: Kühe sind Vegetarier. In Echt ! Bittegerne Ihre Autorin mit bäuerlichen Wurzeln .