Sonntag, 22. September 2019

Der erste Urlaub auf eigenem Kiel, Teil 1

Jetzt ist die Sommerzeit aber gerast. Er liegt tatsächlich schon hinter uns, der erste richtige Urlaub auf der Aquamarijn. Zwei Wochen Leben auf dem Wasser und nicht eine Minute haben wir es bereut. Nicht alle Minuten waren schön - ich sage nur Monstermücken - aber tjanun - irgendwas ist ja immer.

Der Urlaub lässt sich in der Rückschau in drei Phasen aufteilen. Die erste Phase war heiß und mückige, die zweite gesellig, die dritte stürmisch. Und einen Epilog gab es auch noch. Vorausgegangen war diesem Urlaub der Entschluss, keine neue Route zu entdecken, sondern "nur" zu gondeln und auch Tage einzubauen, die einzig und allein der Erholung dienen. Ursprünglich - als wir noch nichts von unserem Marijntje wussten - überlegten wir für den Spätsommer, uns aus unserer Komfortzone friese Meren rauszubewegen und die angrenzende Provinz Overijssel zu erkunden. Das legten wir aus mehreren Gründen schnell ad acta. Zum einen müssen wir nichts über's Knie brechen und haben ja definitiv viel viel Zeit, Neues zu erkunden. Gefühlsmässig sind wir immer noch in der KYB Phase und möchten einfach unser Boot ( ach, alleine, das zu schreiben - unser Boot - sagte ich schon? ok ok ok schon gut ) aus dem Effeff kennen und handhaben können. Das geht nun mal am besten, wenn wir uns nur auf bekannte Gefilde begeben. Zum anderen hatte sich zu unserer Freude Besuch angekündigt mitten im Urlaub. Schwager und Schwägerin würden für die gesellige Phase Sorge tragen. Außerdem: -  es gab noch einiges an Arbeit, was diesen Sommer erledigt sein sollte.

Guten Morgen Kaffee auf dem Boot
GoedeMorgenCoffie
Ursprünglich hatten wir zudem geplant, es etwas gemächlicher angehen zu lassen und erst Samstag morgens Richtung Narnia aufzubrechen. Aber nach zwei bootlosen Wochen ist Sehnsucht ein richtig großer  Notfall und so fuhren wir Freitag Abend doch noch spät ins gelobte Land, um nach ergiebigem Kampf gegen eine ganze Spinnen-Armada, die es sich auf der Aquamarijn gemütlich gemacht hatte, gegen Mitternacht todmüde in die Koje zu fallen und am nächsten Morgen glücklich und beseelt den ersten Kaffee an Deck zu genießen. Und Pläne zu schmieden.




Phase 1 : Heiß und mückig

Ende August, der Sommer hatte sich eindrücklich zurück gemeldet. Das Barometer klopfte an der 30 Grad Marke, es war windstill wie selten und uns war heiß. Richtig heiß. Aber zum Glück waren wir ja schon auf dem Wasser. Relativ schnell erledigten wir ein paar Einkäufe, füllten den Wasservorrat auf, beseitigten die schlimmsten "Spinnen- und Vogel-Poep-Stellen" , wie es so malerisch auf holländisch heißt und lösten die Leinen. Ab auf's Heeger Meer, an diesem Tag vor lauter Segeln kaum zu sehen, schnell ab ins Gaastmeer, kurzer Blick: alles voll, richtig voll. Blöd. Also weiter in die Oudegaaster Brekken, in denen wir erst neulich ein so wunderfeines "Das Leben ist gut   Wochenende" verbrachten. Die Marrekrite vom letzten Mal war bereits voll, zwei weitere ebenfalls, aber an der kleinen Insel mitten in den Brekken wartete noch ein idyllisches Plätzchen auf uns.


Idylle auf dem Wasser


Festgemacht. Badeklamotten an. erstmal zwei Tage nichts tun und ausruhen. Soweit der Plan. Ging auch zum größten Teil auf. Wir hatten idyllische Ausblicke, ein bißchen Marrekrite-Kino, hündischen Zulauf und gingen sogar vom Boot aus schwimmen. Auch dies zu verbuchen in der Kategorie KYB. Zunächst gelang es uns nämlich nicht, die Badeleiter der Aquamarijn auszuklappen, der Ruhebewahrer verstand zwar das System, fand es aber unbedienbar. Schließlich schnappten wir uns eine Leine, der Gatte bastelte einen Leinen-Steg und ging von Land aus ins Wasser. Vom Wasser aus schließlich gelang es ihm dann, den wahrscheinlich schon Jahrzehnte nicht mehr gelösten Mechanismus der Badeleiter zu bedienen und so konnten wir die Leine wieder einholen und richtig schön vom Boot aus schwimmen. Ein Träumchen. Ich wäre wahrscheinlich eh nicht via Leine wieder an Land gekommen und würde vermutlich bis heute da rum paddeln. Gut, dass ich da noch nicht wusste, dass ich ein paar Tage später doch noch turnerische Höchstleistungen vollbringen musste.


Weniger traumhaft war dann eine tierische  Begegnung der anderen Art. Monstermücken, die mich an ein lang vergangenes erlittenes Mückentrauma an der französischen Atlantikküste erinnerten. Dort begab es sich an einem Ort mit dem eigenartigen Namen Mimizan-Plage, dass pünktlich mit Einbruch der Dämmerung heuschreckengroße Viecher aus dem Nichts auftauchten, einen Riesen-Lärm veranstalteten und sich auf jeden stürzten, der sich in dieser Zeit draußen aufhielt. Mit Vorliebe verfingen sie sich in den Haaren der Urlauber, mich hat es damals eine ganze güldene Strähne meiner Haarpracht gekostet. Die Viecher waren nicht anders rauszukriegen, als einfach abschneiden.

Ganz so schlimm war es an den Oudegaaster Brekken nicht, aber schon beeindruckend. Der Gatte hat mir erst gar nicht geglaubt, als wir in der Dämmerung ein veritabel lautes Summen hörten. Später hörten wir bei uns im Hafen, dass auch andere erstmal Ausschau nach einem Hubschrauber hielten.  Ich kannte das Geräusch, ich wusste sofort, das sind Trilliarden von Mücken. Großen Mücken. (Die Brekken sind anscheinend ein Ort, an dem der Gatte erstmal in Frage stellt, was ich an skurrilen Theorien aus der Natur aus dem Hut zaubere. siehe die Kuh-Wettervorhersage). Anders als damals an der Atlantikküste hielten sich diese Mücken fern von Menschen, sie kamen uns kaum zu nahe , aber unheimlich war es schon. Erst recht, als wir uns dann ins Bootsinnere verzogen, alles natürlich gut abgedichtet, alle Mückengitter und Netze im Einsatz und dann Licht anmachten. Sofort war ein sagenhaftes Getrappel zu hören, es hörte sich an
Monstermücken kommen in der Dämmerung

wie heftiger Regen, kurz vor Hagel. Vorsichtig zog ich eine unserer Gardinchen zur Seite und konnten kaum glauben, was ich sah. Schnell zog ich die Gardine wieder zu und sagte zum Gatten nur: Das willst Du nicht sehen. Er glaubte zunächst, dass die Bootsnachbarn unglaubliche Dinge tun würden....  Aber es waren die Trilliarden, welche an unsere Fenster klopften. Richtig, richtig fies. Am nächsten Morgen - nichts. Als wenn nichts gewesen wäre. Nur viele Insektenflecken zeugten vom erlebten Spuk. Am nächsten Abend - dasselbe Phänomen. Immerhin waren am zweiten Abend schon diverse Wasservögel unterwegs, das Phänomen hatte sich wohl rumgesprochen. Die Enten, Blesshühner, sogar Fischreiher taten, was sie konnten. Alleine - das war nicht viel. Gebrummsel, Getrappel, wie gehabt. Gespräche mit anderen Bootsfahrern ergaben, dass es dieser Tage wohl überall auf den meren so war. Warum dieses Phänomen in diesem Jahr so massiv auftrat - man weiß es nicht. An der Dürre kann es nicht liegen, in Friesland hatte es ergiebig geregnet, es war auch nicht so heiß wie im Pott. Anscheinend lag es einfach am Sumpf, am Moor und der Windstille, welche diese Viecher eben nicht vertreibt.


Sieht schön aus, aber der Schein trügt
Trotzdem war das erste Wochenende erholsam und wir machten uns auf ins schöne, geliebte Stavoren. , welches mittlerweile in Friesland der Sehnsuchtsort ist, der Domburg in Südholland für uns ist. Strandtage am Ijsselmeer sollten es werden. Wurden es auch, aber den Platz dafür mussten wir uns hart erkämpfen. Hatten wir in den Vorjahren immer Glück im Binnenhaven von Stavoren, war es diesmal anders. Der schöne Hafen war knallevoll, teils lag man schon auf Päckchen. Mutig entschied der Captain, dass wir uns in die letzte freie Box reinzirkeln würden. Passte millimetergenau, ich war zunächst nur so mittel begeistert. Es gab keinen Steg an der Seite, mit Seilarbeit an den hinteren Pollern mussten wir uns in die Box reinziehen. Dank tatkräftiger Hilfe der dort bereits liegenden Skipper, die an Land vertäuten, gelang es aber erstaunlich gut. Nun blieb uns nur noch die Aufgabe, wie vom Boot runterkommen? Wir mussten ja leider über den Bug. Rückwärts konnten wir nicht in die Box, da hätten wir ja unsere Leiter gehabt. Aber in dem Fall hätten unsere da noch vorhandenen Dingi-Dings über die Anlegewiese hinaus geragt. Also mussten wir klettern und springen. Runter ging es mit einem eleganten Limbo-Schwung, rauf mit einer eleganten Arabesque. Wobei elegant durchaus mit einem ironischen Unterton zu lesen ist. Ich sach ma so: Zum Hafenkinoprogramm habe vor allem ich durchaus beigetragen. Aber es wurde mit der Übung besser. Die Aquamarijn hat nun mal einen durchaus hohen Bug, machste nix. Als erstes enterten wir dann in Stavoren auch den Bootsausstatter direkt am Hafen und erstanden ein mobiles Omma-Höckerchen sowie eine neue wasserabweisende Matte für den Eingang zur Kajüte. Die alte war schon ziemlich oll und uns ein Dorn im Auge gewesen. Aber nun haben wir eine schöne, marineblaue. Geht doch nichts über ein gepflegtes maritimes Ambiente.


Der ergatterte Platz war trotz der gegebenen Kletter-Schwierigkeiten Premium. Freie Wahl zwischen
gleich zwei Premium-Programmen: Schleusenkino und Hafenkino. Hätten wir die ganze Zeit den Platz nicht verlassen, uns wäre nicht eine Minute langweilig gewesen. Soviel war los in Stavoren. Wir genossen die Zeit noch mehr als bei den letzten Male. Wir fühlten uns ja nicht unter Druck gesetzt, wieder los zu müssen oder im Ort alle Sehenswürdigkeiten zu besichtigten. Natürlich begrüßten wir das Vrouwtje, aßen lekker, gingen einkaufen und begrüßten sogar eine alte Bekannte.

Hafenkino

Schleusenkino

Vrouwtje grüßt späte Seefahrer 

Hallo Limanda, kennst Du uns noch?  

Aber vor allem genossen wir das Ijsselmeer an den heißen Tagen am schönen Strand von Stavoren. Es war dort allerdings so heiß, dass wir es bei ergiebigem Schwimmen beließen und das Sonnenbad lieber bei leichter Brise und bestem Programm auf unserem Boot nahmen. Aber das Schwimmen war toll. Wenn ich eins in diesem Jahr wiederentdeckt habe, dann ist es das. Wie unglaublich beglückend Schwimmen im Ijsselmeer doch ist. Ich hatte es fast vergessen. Einfach sensationell. Du weisst zwar theoretisch, dass das Ijsselmeer ein See ist, aber da der See - bzw. Meerblick bis zum Horizont reicht, vergisst Du es. Du schwimmst also im Meer, aber das Wasser ist dank der flachen Tiefen schön warm und vor allem nicht salzig. Stundenlang kann man das machen. Schwimmen, plantschen, einfach nur im Wasser sitzen. Ein großer Traum. Und für uns, die wir nun soviel Zeit an Bord verbringen können, wie es die Freizeit hergibt, ein Traum, den wir nun ganz oft träumen können.


Weniger traumhaft dafür die Rückfahrt. Eigentlich war es schön an diesem Tag. Bei Windstille
zirkelten wir gekonnt aus der engen Box und begaben uns auf den Kanal de Fluessen und zurück aufs Heeger Meer. Wie so oft lag der Fehler aber im eigentlich. Denn die Windstille brachte nicht nur in der Dämmerung die Monstermücken (in Stavoren waren die übrigens nicht, wahrscheinlich hat der Buttje-Brunnen die gefressen) sondern auch die gefürchteten Ijsselmeer Fliegen aufs Wasser. Das sind Mini-Fliegen, die nur bei Hitze und absoluter Windstille auftauchen. Als wir letztes Jahr die Ausstellung am Abschlussdeich besuchten, hatten wir die Fliegenwolke schon mal gesehen. Nun waren wir mittendrin.

In der Wolke aus Ijsselmeerfliegen
Es war ein strahlender Sonnentag. Das Dunkle sind die Fliegen.... 
Was ist die Steigerung von Trilliarden? ich weiß es gerade nicht, aber in eben dieser gesteigerten Form von Ungeziefer befanden wir uns. Es war das absolut ekligste, was ich in all den Jahren Bootsfahren je erlebt habe. Sie waren einfach überall, eine riesige Wolke und wir mittendrin. Es wurde besser, je weiter wir uns vom Ijsselmeer entfernten und hörte erst hinter Heeg auf. Daher fuhren wir an dem Tag einfach noch an Heeg und dem Heimathafen vorbei und legten uns vor Ijlst an die Marrekrite. War aber auch nur so mittel, denn dort gab es zwar keine Monstermücken und keine Fliegen, dafür aber die gewöhnliche Stechmücke. Die Nacht wurde uns präsentiert von Schlaflosigkeit, Drachentöters formidables Mygga, Anti-brumm und Insekten-Vernichtungsspray.


Unser Boot sah aus - man macht sich kein Bild. Dabei hatten wir in Stavoren noch eine Putzstunde eingelegt. Aber nun wieder - überall tote Mücken, grüne Flecken von diesen Piss-Drecks-Kack-Fliegen - und wir erwarteten doch Besuch. Also früh abgedreht, ab in den Heimathafen und erstmal das Gröbste runtergeschrubbt. Blieb trotzdem unter dem Motto: Dieses Boot wurde frisch geputzt, schade, dass Sie es nicht gesehen haben.

Die eigentlich sehr schöne Marrekrite vor Ijlst 


FAQs und Antworten rund um alles, was für Bootsurlaub in Stavoren wichtig ist, findet Ihr hier