Mittwoch, 7. September 2016

Ein trauriger Tag in Harlingen

Es sollte unser Tussendoortje werden. Wie schon im letzten Jahr hatten wir das Boot wieder erst ab Montags gechartert und wollten vorher noch ein wenig Noordzeeluft schnuppern. Da wir am Samstag erst noch eine wichtige Ehre zu erweisen hatten, planten wir also nur eine Nacht und entschieden für einen Besuch in der Hafenstadt Harlingen. Angeschlossen an die Kanäle Frieslands, aber auch ans Wattenmeer und das Ijsselmeer.


Doch wir konnten es nicht so recht genießen, denn der Tag war überschattet von einem furchtbaren Unglück in der Freizeit-Schifffahrt. Nach einer verregneten Hinfahrt, die nur einen Schluß zuließ: Friesland ist das NRW der Niederlande, zumindest was die Baustellendichte in den Sommerferien angeht und in der uns Mr. Blue Sky* nur als Hit beim von Kindesbeinen an geliebten Radiosender Veronica begegnete, erreichten wir das charmante Hafenstädtchen Harlingen und checkten im an und für sich sehr charmanten Hotel Zeezicht ein. Harlingen ist der Ausgangspunkt für Bootstouren aller Art, vor allem aber für Segeltörns mit Plattbodenschiffen aufs Wattenmeer und natürlich für die Fähren nach Vlieland und Terschelling, hat einen entsprechend großen Hafen, aber auch einen Strand und eine von Kanälen durchzogene Altstadt mit viel Gastronomie.




Wir kehrten direkt nach Ankunft gegen frühen Nachmittag in ein kleines, feines Eetcafe ein und wurden von einem sehr, sehr freundlichen Kellner, der mich an den Klausur-Lerngefährten des Ghostbusters erinnerte, mit holländischen Snacks bewirtet. Vlees-Kroketjes schmecken übrigens auf einmal wieder wie früher, wenn man sie bourgondse Kroketjes nennt. Nun ja, man muss dem Kinde nur einen Namen geben, dann kann man auch fünf Euro für zwei Kroketjes nehmen. Aber sei es drum.

Jedenfalls begannen wir gerade, uns etwas zu entspannen und anzukommen, als in der Stadt ein Mega-Alarm losging. Polizei, Rettungswagen, Notarzt, Feuerwehr - das ganze Programm. Sirenen in allen Tonlagen. Retter, die aus ihren Wagen sprinteten und mit ihren Köfferchen so rannten, wie ich selten jemand habe rennen sehe. Im Nu stand die Stadt still, nur ein - man konnte es deutlich merken - vielfach geübter Rettungsplan griff. Es war der Kellner, der uns sichtlich geschockt und ergriffen informierte. Im Hafen hatte es ein großes Unglück gegeben. Eines der großen Segel-Charterschiffe war beim Einlaufen in den Hafen verunglückt, von Mastbruch war die Rede und von 3 Toten. Die Berichterstattung ging auch groß durch die deutsche Presse, ich möchte dem auch gar nichts großartig hinzufügen, dazu fehlt mir die Sachkenntnis. Das schreckliche Unglück blieb auch Gesprächsthema während des Urlaubs. Auch wenn wir keine Nachrichten konsumierten, es war Thema an den Stegen, vor allem unter den dort festgemachten Plattboot-Kapitänen und wir haben natürlich eine Vorstellung davon, was und wie es passiert sein könnte. Aber wie gesagt - kein Thema für Spekulationen. Schon gar nicht öffentlich.

Was ich dazu noch sagen könnte: In vielen Berichten war die Rede von sehr schlechtem Wetter an diesem Tag. Das stimmt so nicht. Es war zwar noch nicht sommerlich schön, aber es war total normales Nordseewetter. Wir saßen auch draußen, direkt am Hafen, deswegen bin ich mir sicher.  Es war bedeckt, es regnete nicht zu dem Zeitpunkt und es war ganz normal windig. Kein Sturm, keine Böen, vielleicht Windstärke fünf. Nicht einmal Wetter, das uns vom Bootfahren abgehalten hätte und wir sind noch recht vorsichtig. Dementsprechend war auch ganz normaler Schiffsverkehr an diesem Tag. Man kann sich denken, was mit dem Bericht über schlechtes Wetter suggeriert werden soll, deswegen diese Anmerkung. Und was ich gerne betonen möchte: Die Schnelligkeit und Sicherheit, mit der die Rettungsmaßnahmen anliefen, waren sehr beeindruckend. Da wurde wirklich alles getan. Alles. Inclusive perfekter Abschottung des Unglücksortes, den man schon nach kurzer Zeit nur noch aus weiterer Ferne erahnen konnte.

Auf alle Fälle war die Stadt geschockt und wir mit ihr. Ich kenne wirklich viele - auch Leute, die keine passionierten Bootsurlauber sind - die solche Törns mit Plattbodenseglern auf dem Ijsselmeer oder der Waddenzee schon einmal unternommen haben, uns eingeschlossen, so dass man sich sofort in diese Situation einfühlen konnte. Ganz ganz schrecklich. Lässt mich bis heute nicht wirklich los, selbst beim Betrachten der Bilder denke ich an das, was währenddessen geschah.

Die geplante Hafenbesichtigung fiel also aus, wir gingen dann zum Deich und noch kurz in den Pavillon. Das Abendessen hielten wir auch kurz, Kibbeling am Kanal reichte voll und ganz.
Kurz noch zum Hotel: Wir hatten ein tolles Zimmer, mit Panoramablick auf Hafen, Brücke und Kanal, alles war sauber und gepflegt, wenn auch die Dusch-Armatur außerhalb der Kabine etwas gewöhnungsbedürftig war. Aber nun - bevor man Captain wird, kann man ja mal den Duschboy geben für die wechselduschfreudige Gattin. Frühstück war auch ok, dennoch wird uns das Hotel Zeezicht nicht wiedersehen. Das Gefühl von Fähren-Touristen Abzocke machte sich breit. Ein Mini-Fläschchen Mineralwasser für drei Öcken fuffzig, Parkplatz pro angefangenem Tag 7,50. Tag wohlgemerkt, nicht pro Übernachtung. Da zahlten wir lieber die öffentlichen Parkgebühren. Jedenfalls schafft man sich so keine Stammgäste, auch nicht, wenn man professionell freundlich ist. Ich gucke über vieles hinweg, aber nicht über Abzocke bei den Nebenkosten. Strategisch unklug, würde ich mal sagen.





Weitere Bilder dazu im G+Album Harlingen 

* Die zwei Jahre Altersunterschied zwischen dem Captain und mir machen manchmal doch etwas aus. Der Gatte kannte Mr. Blue Sky nichtund schaute mich völllig entgeistert an, als ich dieses Lied enthusiastisch mitgröhlte. Mal ehrlich: Das kennt man doch oder? Oder ?

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